Rückschau
Datum | 7.-12. September 2025 |
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Zeit | |
Ort | Sarajevo |
Die Reise nach Sarajevo
Es war eine Reise in die Vergangenheit, die CJP Christlich-Jüdische Projekte, und das Forum für Zeitfragen im September 2025 durchgeführt hatte. Eine nahe Vergangenheit, die von unerwarteter Härte und Brutalität gekennzeichnet war, wie die Teilnehmenden betroffen feststellen mussten. So begleiteten Trauer und Tröstliches diese ganze Exkursion.
Die lange Geschichte von Sarajevo, der malerischen Hauptstadt von Bosnien und Herzegowina, umgeben von grünen Hügeln, ist von grossen Wechseln geprägt. Jahrhundertelang lebten Juden, Christen und Muslime als friedliche Nachbarn in Freundschaft. Davon zeugt die Anordnung der Gebetsorte: Moscheen, Kirchen und Synagogen stehen in unmittelbarer Nähe. Der
offene Austausch von Kulturen, von Ost und West, ist hier allseits ablesbar.
Im Stadtkern liegen zwischen den Gebetshäusern traditionelle Handwerksläden in kleinen Gassen aneinander, basarartig vernetzt. Die Museen Sarajevos zeigen authentische Aufarbeitung der Vergangenheit. Eine Galerie erinnert an die Ermordung des Erzherzogs Franz Ferdinand. Dadurch wurde hier der Erste Weltkrieg ausgelöst. Die alte kleine Synagoge zeugt als jüdisches Museum anschaulich von der jüdischen Existenz seit dem 16. Jahrhundert – bis zum zweiten Weltkrieg.
Doch noch einmal mussten die Einwohner von Sarajevo durch eine Hölle: Nach dem Zerfall von Jugoslawien wurde die Stadt im Bosnienkrieg von 1992 bis 1995 während vier Jahren belagert und von der Aussenwelt abgeschnitten. Serbisches Militär war auf den rundum umgebenden Hügeln stationiert. Wasser und Strom, Nahrung, Post, alles wurde abgeschnitten, rationiert. Scharfschützen zielten auf Menschen, die Wasser oder Essen holten. Noch heute sind viele Hauswände regelrecht durchsiebt von Einschüssen. Rote
«Stolperflecken» am Boden mahnen an die Erschiessungen. Von vielen
Grausamkeiten berichtet das «Museum der Verbrechen gegen Menschlichkeit und Genozid». Geheime lange Tunnels – heute als Denkmal begehbar - dienten für Nahrung und Hilfsmittel. Die Sarajewaner verstehen bis heute nicht, dass ihnen damals niemand geholfen hat.
In dieser schlimmen Zeit hat jedoch ein jüdischer Hilfsverein, La Benevolencia, ein wertvolles Netzwerk von Hilfe geschaffen. In der grossen Synagoge traf man sich zum Essen, für medizinische Behandlung und für Briefpost. Die Hilfe galt allen Einwohnenden. Sogar Ausreisekonvois wurden organisiert. Davon berichtete Igor Benzion Kozemjakin, Chasan und "Guide spirituell", der heute die kleine Gemeinde in der grossen Synagoge tatkräftig betreut. (Siehe auch
youtube: Survival In Sarajevo - Friendship in a Time of War).
Daneben galt es, die berühmte “Sarajevo Haggada” (ca. 1350, Barcelona) im Nationalmuseum als Original zu betrachten – und staunend im Faksimile zu blättern. Ausflüge durch schöne Landschaften, zur Brücke von Mostar sowie zu weiteren kulturellen und religiösen Sehenswürdigkeiten - unter kompetenter Leitung durch Mirsada Voser - liessen die Schwere der Geschichte erträglich werden. Der Austausch über alle diese tiefen Eindrücke brachte die Reisegruppe näher zusammen.
Buchempfehlung: Edward Serotta, Überleben in Sarajevo, Wien 1994.
Edith S. Talja Barth