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WEITblick

Der Monat Ramadan und Corona

Vor kurzem hat der Monat Ramadan wieder begonnen. In diesem Monat fasten Muslim:innen auf der ganzen Welt und verzichten so von Sonnenaufgang bis Sonnenuntergang auf das Essen und Trinken.
Ausgabe

2 - Mai 2021

Autor*innen

Aysegül Avcik

Ramadan

@freepic

Der Ramadan ist eine ganz besondere Zeit: So findet jeden Abend ein schönes Abendmahl mit Familie und öfters auch mal mit Freund:innen statt. Das Fasten wird zu Sonnenuntergang traditionell mit einer Dattel oder Wasser gebrochen, wobei dies auch mit anderen Lebensmitteln möglich ist.

Der Monat Ramadan beginnt mit dem Sichten der Mondsichel, genauso ist er zu Ende, wenn die Mondsichel nach ungefähr 29 Tagen erneut gesichtet wird. Der Monat ist ganz besonders, da in diesem ein erster Teil des Koran durch Erzengel Gabriel (Jibril) dem Propheten Mohammed offenbart wurde. So heisst es im Koran:

«Es war der Monat Ramadan, in dem der Koran (zuerst) von droben erteilt wurde, als Rechtleitung für den Menschen und evidenter Beweis dieser Rechtleitung und als der Massstab, mit dem das Wahre vom Falschen zu unterscheiden ist. (…)» Sura al-Baqara (Die Kuh), Vers 185


Das Fasten gehört zu den Pflichten der Muslim:innen. Jedoch gilt sie nicht für alle: Unter anderem Kinder, Kranke, Schwangere und Reisende sind von der Pflicht ausgenommen.


Zu fasten ist eine ungewöhnliche Handlung im Vergleich zum normalen Alltag mit einem festen Essensrhythmus. Plötzlich fällt der gute Kaffee am Morgen weg, man isst nicht mehr zu Mittag oder zwischen den Mahlzeiten wie gewohnt. Der Körper gewöhnt sich innerhalb kürzester Zeit an einen neuen Rhythmus. Muslim:innen kommen so aus einer ihnen gewohnten Routine heraus. Diese Umstellung führt automatisch dazu, dass einem bewusst wird, dass ein Alltag auch ganz anders aussehen kann. So werden beispielsweise Handlungen stärker reflektiert. Darüber hinaus macht man sich in dieser Zeit auch verstärkt Gedanken darüber, was die eigenen Lebensziele sind und ob diese mit der jetzigen Situation im Einklang stehen.


In diesem Monat werden gute Tugenden, wie Geduld, Dankbarkeit und Gemeinschaftlichkeit geübt. So gibt es tagsüber immer wieder Momente, in denen man den Hunger und den Durst mehr oder weniger zu spüren bekommt und geduldig sein muss, bis das Fasten gebrochen werden kann. Besonders der Zustand der Dankbarkeit wird in diesem Monat sehr oft erlebt. Der erste Schluck Wasser nach 16 Stunden Enthaltsamkeit, welcher durch die Kehle gleitet, der erste Löffel Suppe, der die Geschmacksnerven wieder aktiviert! Auch wird klar, wie schön es ist, zu essen und zu trinken – und dass die Versorgung des Menschen gar nicht so selbstverständlich ist. Sehr interessant ist, dass in dieser Zeit Gerüche besser wahrgenommen oder der Geschmack besser erlebt wird. Auch ruft das Fasten eine stärkere Empathie gegenüber Schwächeren in der Gesellschaft auf und regt so zum Nachdenken an.


Das gemeinsame Fastenbrechen mit Familie, Freunden und fremden Menschen sowie die nächtlichen Gebete (arabisch Tarawih) in der Moschee sind klassische Bestandteile des Ramadans. Die Gemeinschaftlichkeit ist daher auch ein besonderes Merkmal des Ramadans.


In Basel finden während des Ramadan sehr viele öffentliche Fastenbrechen statt: So beispielsweise das der Basler Muslim Kommission (BMK) oder der muslimischen Studierendenvereinigung an der Universität Basel (MSAUB). Leider konnten diese im letzten Jahr aufgrund der Covid-19-Pandemie gar nicht stattfinden. Dies ist umso bedauerlicher, da sie wichtige Orte der interreligiösen Begegnung sind.


Besonders in dieser Zeit mit Covid-19 wissen wir die für uns selbstverständliche Gemeinschaftlichkeit sehr zu schätzen. Unter den besonderen, aktuellen Umständen, die es bereits im letzten Ramadan gab, steht die Gemeinschaftlichkeit – jedenfalls im physischen Sinne – nicht im Vordergrund. Deshalb hat dieser Aspekt eine andere Dimension erhalten. Denn die ausserordentliche Lage hat dazu geführt, dass Muslim:innen andere Wege gefunden haben, die Gemeinschaft im Ramadan aufrechtzuerhalten. So haben sich ursprüngliche physische Meetings zu digitalen verwandelt. Vorträge während dem Ramadan, die nur vor Ort stattgefunden haben, werden digital ausgestrahlt. Auch wurden neue Formen der Kommunikation und Verbindung gefunden, die ganz sicher auch nach dieser aussergewöhnlichen Zeit Platz im gesellschaftlichen Leben finden werden.


Hoffen wir auf einen Ramadan im nächsten Jahr, in welchem sich Familie und Freunde wieder gegenseitig einladen können, sich die Moscheen zum Nachtgebet wieder füllen und gemeinsame, wunderschöne öffentliche Fastenbrechen als Orte der Begegnung wieder möglich sind!


* Aysegül Avcik ist Nahostwissenschaftlerin und leitet im Projekt religionen_lokal des Forums Basel eine interreligiöse Gesprächsgruppe.